~ Die Schmetterlinge des Nachtwaldes ~

 

Im Nachtwald leben hunderte von Schmetterlingsarten und über die wenigsten ist den Naturforschern und Gelehrten der Tierkunde in den Immerlanden etwas Genaueres bekannt. Die wenigen Schmetterlinge, die sich von der breiten bunten Masse der farbenfrohen und unscheinbaren Falter dieses riesigen Waldgebietes durch besondere Eigenschaften abheben und namentlich bekannt sind, sind nur fünf an der Zahl - der kleine bunte Nektargaukler, die ätherisch anmutende, blauweiß schimmernde Mondlichtschwinge, der große, prächtige, grünschwarze Dunkelflügel, die schwarzweiß gestreifte Morgentaufee mit ihren glühend gepunkteten Flügelenden und schließlich die große, graugrüne Schattenjungfer.

 

NektargauklerNektargaukler


Der Nektargaukler ist ein kleiner, possierlicher Nachtfalter, der hauptsächlich in der Morgen- und Abenddämmerung umherschwirrt und nach Nektar sucht – seine Emsigkeit in dieser Beziehung und seine schwirrendes, närrisches Geflatter haben ihm seinen Namen eingebracht. Auf den Lichtungen des Nachtwaldes und den Bergwiesen der Eisenberge sieht man im Frühjahr manchmal hunderte und aberhunderte dieser Schmetterlinge in der Morgendämmerung im Nebel tanzen. Nektargaukler sind recht bunt und auffällig gefärbt, aber nicht sehr groß, kaum zwei Sekhel misst die Spannweite ihrer zarten Flügel. Die Schmetterlinge leben nur einen einzigen Sommer lang, haben sie im Herbst ihre Eier gut geschützt unter der Rinde von Bäumen und Sträuchern abgelegt, sterben sie oder werden zu Hunderten von hungrigen Vögeln verspeist. Die Raupen schlüpfen im Frühjahr und sind völlig unscheinbar, recht klein und graubraun. Sie fressen sich vornehmlich an Brennnesseln und Unkräutern etwa zwei Wochen lang groß und fett, verpuppen sich für weitere zwei Wochen und schlüpfen als Schmetterlinge. Als Nachtfalter ernähren sie sich ausschließlich von Blütennektar und bei den Waldkindern sammelt man gern die leeren Kokons, denn sie schmecken süß wie Honig und lassen sich weich kauen wie kleine Harzklumpen. Vor allem bei Kindern ist diese Nascherei äußerst beliebt.  

 

MondlichtschwingeMondlichtschwinge


Die Mondlichtschwinge ist ein prächtiger und auffallender Schmetterling, auch wenn sie keine kräftigen, leuchtenden Farben oder bunte Musterungen zeigt. Ihre zarten Flügel schimmern, glitzern und funkeln im Sonnenlicht wie Diamanten, helle Saphire oder Mondsteine. Mondlichtschwingen sollen vor allem in und um die Feenstadt Nalalimiru'Kakukikaryania in großer Zahl vorkommen und sie des Nachts und in den Abendstunden mit ihrem schimmernden Licht erhellen. Die Feen des Nachtwaldes weben aus den leeren Kokons dieser Schmetterlinge und aus den Flügeln toter Tiere die berühmte und kostbare Mondlichtseide, ein so zartes Gespinst, dass es schwerelos und durchscheinend wie sanftes Silberlicht wirkt. Mondlichtschwingen sind sowohl am Tag, als auch des Nachts aktiv und zählen mit mehreren Sommern zu den langlebigeren Schmetterlingen. Ihre Raupen sind mitternachtsblau mit glühenden silbernen Punkten im feinen samtigen Pelz. Die ausgewachsenen Schmetterlinge dieser Art sind recht groß und können gut und gern die Ausmaße einer Männerhand erreichen. Der zylinderförmige Körper dieser Schmetterlingsart ist von einem feinen, türkisblau und petrolfarbenen Pelzchen bedeckt, die langen, geraden Fühler tragen am Ende tropfenförmig leuchtende Punkte. An den Enden der recht unregelmäßig geränderten Hinterflügel befinden sich lange Fortsätze.

 

DunkelflügelDunkelflügel


Der Dunkelflügel ist der größte Schmetterling des Nachtwaldes und zugleich wohl einer der größten Schmetterlinge der Immerlande überhaupt, denn er besitzt gut dreißig Sekhel Flügelspannweite. Trotz seiner Größe wirkt dieser Schmetterling jedoch schlank und anmutig, denn die Flügel sind schmal und elegant geschwungen, und laufen fast lanzenförmig zu. Dieser schillernde Tagfalter verbringt sein Leben hauptsächlich in den Baumkronen der gewaltigen Rotholzbäume und kommt nur vor, wo es diese Baumart gibt, also im Nachtwald, im östlichsten Arnis und in Hochwald. Für die Waldkinder ist der Dunkelflügel der Vater aller Schmetterlinge und das Symbol der Erneuerung. Wegen ihrer Fähigkeit, sich von Grund auf zu verwandeln - von der Raupe über die Puppe zum Schmetterling-, gelten diese Tiere in den Immerlanden nahezu überall als Symbol für Wandlung, Leben und Hoffnung, doch der Dunkelflügel tut dies in besonderem Maße und gilt den meisten Stämmen sogar als heilig. Sie nennen ihn dementsprechend auch Dalán-dé dòchain, was "Schmetterling der Hoffnung" bedeutet. In den Drachenlanden hingegen schätzt man vor allem die sehr festen und großen Kokons des Dunkelflügels als stabile Etuis und Hüllen für alle möglichen kleinen Kostbarkeiten - immerhin sind sie so lang und groß wie der Zeigefinger eines Mannes. Heilkundige der Stämme nutzen die leeren Kokons auch als Schutzhüllen für verletzte Finger oder als natürlichen Tiegel für allerlei Salben, Pasten und Pulver. Da diese Tagfalter die meiste Zeit ihres Daseins in den unerreichbaren Ästen der gigantischen Rotholzbäume verbringen, weiß man ansonsten nur wenig über sie.   

 

MorgentaufeeMorgentaufee


Die Morgentaufee ist ein prächtiger Tagfalter mit schwarzweißen Streifenmustern auf den Flügeln, deren Enden dunkel gefärbt sind und leuchtend blaue und kupferrote Punkte tragen. Sie leben hauptsächlich in den höheren Lagen der Eisenberge auf den Almen, Bergweiden und Hochwiesen, man trifft sie jedoch auch in den tieferen Regionen des Nachtwaldes auf Lichtungen und entlang der Flussläufe. Wie sein Name schon verrät, ist dieser Schmetterling vor allem in den Morgenstunden auf Lichtungen und Blumenwiesen anzutreffen, wo er sich am süßen Morgentau labt. Morgentaufeen sind gewiss schöne Tiere, doch das besondere dieser Schmetterlingsart steckt in den Kokons ihrer Raupen, welche etwa vier Sekhel lang, samtbraun und besonders leicht, doch nahezu unzerstörbar sind. Die Feen des Nachtwaldes nutzen sie als Gebrauchsgegenstände und Behältnisse aller Art. Morgentaufeen sind weder klein, noch groß und erreichen eine Flügelspannweite von etwa vier bis fünf Sekheln. Sie sind recht neugierig und zutraulich, und umschwirren Objekte ihrer Begierde oft minutenlang. Sie kommen auch gern auf menschliche Hände oder Arme, vor allem im Sommer, wo sie mit ihren zarten, schwarzen Rüsselchen Schweiß und winzige Hautschuppen aufnehmen – für die Schmetterlinge anscheinend eine Delikatesse. Auch Blut und Aas zieht sie magisch an und Butter- oder Buttermilch, Milch und Sahne können sie überhaupt nicht widerstehen.

 

SchattenjungferSchattenjungfer


Die Schattenjungfer ist ein recht großer Tagfalter mit eher unspektakulären Farben in dunklem Moosgrün und zartem Grau mit bronzebraunen Akzenten. Sie trägt zwei tropfenförmige Fortsätze an den unteren Flügelenden. Das Besondere an diesem Schmetterling ist jedoch, dass er ausschließlich in der Nähe von Eisenfliederbäumen vorkommt, von dessen Blättern sich die Raupen und von dessen Blattsäften und Nektar sich die späteren Schmetterlinge ernähren. Sowohl die Raupen, als auch die Kokons und die ausgewachsenen Schattenjungfern sind hochgiftig, weshalb sie keine natürlichen Fressfeinde besitzen. Die Tiere leben nur jeweils einen Sommer lang, legen im Herbst ihre Eier ab und sterben, sobald die ersten Nachtfröste entstehen. Jede Schattenjungfer legt exakt zwölf Eier, nie mehr und die weniger. Die frisch geschlüpften Raupen sind dünn, schwarz und etwa zwei Sekhel lang. Wenn sie sich verpuppen sind sie schon so dick wie ein Regenwurm und gut und gern sechs Sekhel lang. Die Kokons sind grau wie Schatten und unangenehm klebrig. Die Waldkinder sammeln die leeren Puppenhüllen dieser Schmetterlingsart mit äußerster Vorsicht – man sollte sie unter gar keinen Umständen mit bloßen Händen anfassen – trocknen sie und zermahlen sie anschließend zu feinem, grauen Staub. Aus diesem lässt sich das tödliche Gift Schattenbrand herstellen.

 

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