~ Die Bögen der Immerlande ~

 

Die Kompositbögen



Als Kompositbogen werden alle Jagd- und Kampfbögen bezeichnet, die aus mehreren, mindestens jedoch zwei, verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind, womit Wirkungsgrad und Lebensdauer des Bogens erhöht werden. Kompositbögen gibt es in mannigfaltigen Formen und Größen. Auf den meist aus Holz bestehenden Kern werden dazu andere Materialien aufgeleimt, wie zum Beispiel Horn, Knochen, Metall, Sehnen oder zugstabile andere Hölzer. Der Hornbogen besteht dabei aus Horn oder mehreren Schichten von Horn und einem aufgeklebten Sehnenbelag. Der eigentliche Kompositbogen enthält neben Sehnenbelag und Horn auch noch einen Bambus- oder Holzkern, um Masse zu Sparen und eine Sonderform ist der Knochenbogen, bei dem es sich um eine Konstruktion aus Geweihstücken von Karibu, Elch oder Rippen von Wal und Büffel und einem Sehnenbelag handelt. Die einfachste und urtümlichste Form des Kompositbogens ist der Halbmondbogen. Diese Bauweise wurde schon sehr früh bei Knochenbögen und Bögen aus spröden oder weichen Hölzern verwendet, da Geweihe und Knochen nicht sehr elastisch sind, selbst wenn Sehnenbeläge aufgebracht sind. Halbmondkompositbögen besitzen etwa die gleiche Reichweite und Durchschlagskraft wie reine Holzbögen der gleichen Größe. Vor allem die Barbaren Immerfrosts, die Stämme der Eisigen Öden und Barsas, aber auch die Thundrassar und Resande und die Steppenreiter Arduns verwenden diese Form der Kompositbögen.

Eine andere Art der Kompositbögen ist der Schwungbogen, bei dem die Bogenenden nach vorn gebogen oder 'zurückgeschwungen' sind. Der Holzkern und die Hornstreifen werden beim Bau dieser Bögen mit Dampf biegsam gemacht, dann werden die Bogenenden über ein rundes Holzstück in Form gebracht und ihre Rundung durch das Aufkleben des Sehnenbelags endgültig fixiert. Ein solcher Schwungbogen kann auch ohne Horn nur mit einem elastischen Holz wie Eibe und Sehnenbelag, gefertigt werden. In der Biegung der Endschwünge wird beim Spannen des Bogens die meiste Energie gespeichert, wodurch ein Schwungbogen mehr Energie auf den Pfeil übertragen kann als ein Langbogen mit gleicher Zugkraft. Pfeilgeschwindigkeit und Reichweite steigen dadurch merklich, die Treffgenauigkeit jedoch nicht: wird der Pfeil unsauber losgelassen, können die Schwünge während des Schusses in Schwingung geraten und die Treffsicherheit sinkt. Schwungbögen erfordern also einen sehr sauberen Ablass des Pfeiles von der Sehne.

An Material für Kompositbögen mangelt es weder im Tier- noch im Pflanzenreich. An Hölzern für Bogenkerne und Bogenenden werden Ahorn, Eibe, Kornelkirsche, Bambus, Birke, Akazie, Maulbeerbaum, Ulme und Esche verwendet. Brauchbare Hörner liefern Wasserbüffel, Steinböcke, Yaks, Widder, Moschusochsen, Auerstiere und verschiedene Antilopenarten. Für die Sehnenbeläge werden Sehnen von Büffeln, Elchen, Hirschen und Rentieren und von diesen besonders die Fußsehnen, Achillessehnen und Rückensehnen verwendet, da diese bis zu fünfzig Sekhel lang sind. An Leimen werden vor allem Hautleime, Fischleime und Kaseinleime benutzt. Der beste natürliche Leim, der Hausenblasenleim wird manchmal zugesetzt, um die Klebkraft zu erhöhen. Fertige Horn- und Kompositbögen werden gewöhnlich zum Abschluss mit einer vor Feuchtigkeit schützenden Schicht überklebt, oft auch nur der Sehnenbelag, wobei dann das Horn sichtbar bleibt. Das beliebteste und zu allen Zeiten in allen Regionen am meisten verwendete Material dafür ist Birkenrinde. Kompositbögen sind bedingt durch die lange, mühevolle Handarbeit bei der Herstellung und die unterschiedlichen benötigten Materialien allerdings wesentlich aufwändiger und teurer in ihrer Fertigung als alle anderen Bögen.


Der Reiterbogen



Diese Bögen sind im Vergleich zu anderen Bogenarten - bis auf ihre Sonderform den Siyah - eher klein, da sie hauptsächlich von berittenen Kriegern verwendet werden, sie können aber selbstverständlich auch vom Boden aus benutzt werden. Die Größe der Bögen ist nicht durch den Verwendungszweck beschränkt, sondern alleine durch die zur Verfügung stehenden Materialien – und in den Weiten der baumlosen Wüsten, trockenen Savannen und grasbewachsenen Steppengebieten der Immerlande gibt es naturgemäß nur wenig Holz.


Die Bögen der verschiedenen Reitervölker der Immerlande unterscheiden sich grundsätzlich nur wenig in Form und Aufbau. Entwickelt haben sich diese Bögen unabhängig voneinander bei den alten Reitervölkern der Immerlande, den Khasaren und Keraiten, den Tubalkain und Tharndrakhi, den Svea und den Steppenreitern des Nordens. Auch die azurianischen Beduinenstämme verwendeten diese Art von Bogen und entwickelten vielfach eigene Varianten. Reiterbögen sind immer Kompositbögen, was bedeutet, dass sie aus mehreren Materialien bestehen.


Der Bau eines solchen Bogens kann bis zu zwei Zwölfmonde Zeit in Anspruch nehmen, wofür nicht nur die Verwendung von Horn und Sehnen, sondern auch das Trocknen des Holzes, sowie die Ruhezeiten zwischen den Laminierungs-Schritten verantwortlich sind. Der Vorteil der Verwendung von Horn und Sehnen besteht in ihrer höheren Fähigkeit, Energie zu speichern und sie wieder an den Pfeil abzugeben, was die kompakte, geschwungene Form des Reiterbogens ermöglicht. Das Horn übernimmt die Druckbelastung auf der Innenseite, die Sehnenbündel die Zugbelastung auf der Außenseite. Zusammengehalten werden die Materialien durch Fisch-oder Knochenleim und Wicklungen aus Hanf und Flachs.


Würde ein Bogen mit exakt der gleichen Form, wie die eines Reiterbogens, nur aus Holz gefertigt, würde dieser sofort brechen. Die meisten Reiterbögen haben ein Zuggewicht von um die 70 Pfund und eine Reichweite von 250 – etwa 350 Schritt, der Siyah bildet hier die Ausnahme, er ein wesentlich größeres Zuggewicht und eine enorme Reichweite hat. Es ist keine einfache Kunst, einen Pfeil vom Rücken eines Pferdes aus fliegen zu lassen, da der Zeitpunkt des Schusses nicht frei bestimmt werden kann. Der Schuss muss erfolgen, wenn sich alle vier Hufe des Pferdes im Galopp in der Luft befinden, so dass keine Erschütterungen auf den Schützen übertragen werden können. Diese Fähigkeit ist nur durch jahrelanges, angestrengtes Üben erlernbar. Der Reiterbogen wird mit dem Daumen, meist mit der Hilfe eines Daumenrings aus Horn, ausgezogen.

Reiterbogen

 

Der Siyah


Als Siyahs werden große Reiterbögen mit Endversteifungen bezeichnet, die zwei separate hölzerne Bogenenden aufweisen, die in einem Winkel an den Holzkern geklebt werden. Die Hornstreifen auf der Hinterseite und der Sehnenbelag auf der Vorderseite überlappen die Klebefugen, damit die Teile nicht abbrechen. Solche Bögen können wie Schwungbögen, auch ohne Horn, nur aus Holz und Sehnen gemacht werden. Beinahe alle nördlichen Reiterbögen der Immerlande sind Siyahs. Die Wirkung der steifen Enden ist ähnlich wie beim Schwungbogen, die Hebelwirkung setzt jedoch plötzlich ein, nicht allmählich. Der Auszug nach hinten wird als angenehm weich empfunden, umso mehr, je länger die Endversteifungen sind. Auf die Pfeilgeschwindigkeit und die Reichweite haben Endversteifungen einen ähnlichen Effekt wie die Schwünge bei den oben beschriebenen Schwungbögen: sie machen die Pfeile schneller, verzeihen aber mehr Fehler beim Lösen des Pfeils als diese. Außerdem erspart der Bogenbauer sich hierbei die Mühe, die Schwünge aufwändig mit Dampf biegen zu müssen - gerade Holzteile für Siyahs wachsen in freier Wildbahn, fertige Schwünge eher nicht. Der Bogen, den Khuyildar Sechen Khan, Khan und Meisterschütze der Temur bei seinem weiten Schuss im Jahr 492 FZ vor den Mauern Cardossas verwendet haben soll, war ein Siyah-Bogen – und der Pfeil flog der Legende nach sagenhafte 889 Schritt weit.

Siyah
Siyahbogen der Tharndrakhi

 



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