Es war dunkel, bis Ealaras Lied erklang und durch diese gesungenen Worte, getragen von der schönsten aller Melodien, entstanden der Kosmos und die Welt. Nach und nach fielen die soeben erwachten Götter in den Entstehungsgesang ein und sie erschufen mit Ealara die Meere und die Kontinente mit ihren Wäldern und Steppen, den Flüssen und Bergen, den Sümpfen und Wüsten. Im Anschluss daran sehnten sie sich nach jemandem, der ihr Werk bevölkern könnte, also riefen sie die ältesten Wesen, die Naturgeister, die Pflanzen und die Tiere und schließlich die Völker ins Leben. Das allererste Volk, welches das Singen und Sprechen erlernte, waren die Elben auf den Himmelsinseln. Auf dem Kontinent der Immerlande erklangen erst deutlich später die Worte der Riesen und dann die der Zwerge. Jedes dieser drei Völker formte seine ganz eigene Sprache: Die Elben sprachen zunächst Ayaron und entwickelten schließlich das heute übliche Shidar, die Riesen redeten auf Thursisch oder Thursysk miteinander und die Zwerge Zardakh. Auch jedes folgende Volk entwickelte seine eigene Sprache, die nächsten waren die Zungen der Kobolde, der Feen und der Zentauren. Doch es sollten noch viele weitere Völker mit ganz eigenen Lauten nach ihnen folgen.
Die allerersten Zeichen waren ein Geschenk des Archonen Oghs des Reimers an seine Kinder, die Riesen. Er gab diesem auserwählten Volk die Runen, die wahren Namen der Dinge, ein Quell großer Macht. Sie meißelten die Zeichen als Weltenschicksalssage in die Klippen des Schicksals im hohen Wolkenthrongebirge – doch sie zerstörten ihr eigenes Werk und wandten sich gegen Ogh, ihren Vater. In ihrem gewaltigen Zorn zerschmetterten sie die Klippen des Schicksals in tausend Bruchstücke und schufen so den Ginnungagap, den tiefsten Abgrund und die lichtloseste Schlucht der Immerlande. Von allen wundersamen Runenzeichen, die sie so mühsam eingekerbt und geschnitten hatten, blieben nur Fragmente, die über das gesamte Antlitz der Immerlande verstreut wurden. Die Zwerge aber fanden einige dieser Bruchstücke, stahlen das Wissen um ihre Macht von den Riesen und erlernten so die Magie einiger Runen. Auf Lyrs Geheiß hin erschuf Ogh später die Schriftzeichen für alle Völker der Immerlande, welche jenes Geschenk nutzen wollten... Zeichen von ganz eigener Zaubermacht, doch bar aller magischen Kräfte. Denn erst die Schriftzeichen ermöglichten es den Kindern Ealaras, ihre Geschichten niederzuschreiben und ihr Wissen festzuhalten um es für all jene zu bewahren, die nach ihnen kommen würden.
Ledergebundenes Buch, Federkiele, Tintenfässchen und Papier
Einige der ersten Völker waren sehr angetan, so wählten die Zwerge das Dakhrun, die Jararankhaz waren zwiegespalten und erbaten sich eine Knotenschrift sowie eine detailreiche Bilderschrift, die Elben wollten eine geschwungene Schrift mit vielen Bögen und die Kobolde erachteten eine komplizierte Symbolschrift für passend, während die Zentauren in schlichten, klaren Buchstaben schrieben. Diese alten Schriften bestehen allesamt noch immer, da die Zwerge ihre Schrift seit Jahrtausenden nicht veränderten, die mittlerweile ausgestorbenen Jararankhaz ihre Knoten- und Bilderschrift an die Chanka weitergaben, die sie in leicht abgeänderter Form noch heute nutzen und die Elben seit jeher an ihren kunstvollen Schriftzeichen festhalten. Die heute hauptsächlich verwendete Schrift der Menschen entstand aus den schlichten, schnörkellosen Buchstaben der Zentauren.
Wann genau die ersten Schriftstücke niedergeschrieben wurden, ist genauso ungewiss wie die Namen ihrer Autoren. Die ältesten, heute noch existierenden "Schriftstücke" sind jene, welche die Elben von den lange schon vergangenen Himmelsinseln retten konnten und die uralten Pergamentbögen der Zentauren, der ersten großen Schriftgelehrten der Immerlande. Wann die ersten Schriftzeichen der Zwerge in Stein gehauen wurden, ist unklar und kein Angehöriger eines anderen Volkes darf die ältesten Hallen betreten, wo sie zu finden sind, so dass dies wohl ein gut gehütetes Geheimnis dieses Volkes bleiben wird.
Heutzutage gibt es viele Völker, welche die Schriftsprache in großen Umfang nutzen, doch auch die mündliche Weitergabe ist nach wie vor bei einigen Völkern an der Tagesordnung. Während von den noch existierenden Gründerrassen, die eine Schrift erwählten, diese sehr gepflegt wird, gibt es bei den jüngeren Völkern große Unterschiede. Allerdings ist zu beachten, dass die Feen eine Sonderstellung einnehmen, da sie nie eine eigene Schrift entwickelten und auch kein großes Interesse an anderen haben. Bei den Nargen wird jede Schrift sogar verachtet, dahingegen schätzen die Mogbar sie sehr. Das Volk der Menschen ist, wie bei vielen Dingen, auch bei der Schrift sehr uneinig. So gibt es viele naturnahe Menschenvölker, für welche Schrift überhaupt keine Bedeutung besitzt, ebenso wie Regionen und vor allem große Städte mit riesigen Bibliotheken und Tempelschulen, in denen praktisch jeder das Schreiben und Lesen erlenen kann, beispielsweise Talyra, Blurraent, die Freien Städte der Ostlande und noch einige mehr.
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