~ Schattenherz ~

 

V

 

 

 

vor langer Zeit, noch vor dem Vierten Zeitalter und dem Untergang der Himmelsinseln, durchstreifte ein mächtiger Krieger das Unsterbliche Reich der Elben in der Mitte der Welt. Er entstammte einem der edelsten Häuser der Smaragdelben, war ein Waldläufer Anukis' und der größte Jäger der Laikeda'ya. Groß war er, stark und grimmig wie ein zorniger Sturm, dabei aber schön wie eine dunkle Sternennacht und sein Name war Mordren Faêrladir. Als der Krieg des Grauens ausbrach, verlor er sein Weib und seine Kinder durch den schändlichen Verrat der Blutelben, die sich zu ihrem dunklen Gebieter bekannten. Er selbst wurde tödlich verwundet, und als er sich in seine geliebten Wälder schleppte, um dort zu sterben, verdunkelte ein großer Schatten die blutrote Sonne. Mordren aber starb nicht. Er kehrte zu seinem Volk zurück als ein Erwählter Nimrods, denn der Archon hatte ihn berührt im stillen Schatten der Wälder. So kam es, dass Mordren Faêrladir den heiligen Orden der Jäger gründete - jene besten der Waldläufer, die ihr Leben und ihre Kraft von nun an der Großen Jagd auf die Finsternis widmeten. Die Jäger wurden in jenem Krieg, der lange Jahrhunderte währen sollte, ein edler und starker Bund und die Sänger rühmten ihre Taten. Am meisten von allen jedoch rühmten sie Mordren und seinen unerschütterlichen Mut.  


Als die Elben ihre uralte Heimat verlassen mussten und schließlich durch Tod und Zerstörung an die Gestade der Immerlande gelangten, gründeten sie dort ihre neuen Reiche.. Die Smaragdelben hatten Sämlinge ihrer wundervollen Wälder von den Himmelsinseln mitgebracht und pflanzten sie neu, und so begann Siam, der Wandernde Wald zu wachsen. Mordren und seine Jäger zogen wieder aus, und lange Jahre war ihr Schutz und ihre Wachsamkeit der Schild, der die jungen Elbenreiche vor der Finsternis beschirmte. Dämonen und finstere Wesen, Bestien der langen Dunkelheit und des Chaos waren zahlreich in jenen Tagen und der Dunkle nun so viel näher als zuvor. Shunjawartho begannen die Elben Mordren zu nennen, den Verderber der Schatten, und so wurde er auch in ihren Liedern besungen. Und als die Schönen in den neuen Landen Wurzeln schlugen und ihre Wälder und Reiche zu wachsen begannen, da wurde dem König der Smaragdelben eine Tochter geboren. Ihre Mutter war keine andere als Voshora, die Glut, Archonin der Göttin Loa selbst, und von ihr erbte das Kind flammengleiches Haar und Feuer in Blut und Geist. Ihr Vater Farfar Tianbashôr, der sie aufzog, gab ihr den Namen Nuira Loriaesninar, Nuira Flammenhaar - die Smaragdelben jedoch nannten sie Riafinya, die Feuergeküsste. Sie wuchs zu einer wunderschönen Elbin mit langem, feurigrotem Haar heran und es schien, als trage sie eine Lebendigkeit, ein Feuer und eine Wildheit in sich, die sie von allen anderen unterschied. Dabei war sie jedoch stets wie eine wärmende Flamme, und die Glut in ihr schwelte gleichmäßig und stark. Oft tanzte sie auf mondhellen Waldlichtungen im Schatten der Bäume und dort, wo ihre Füße beim Tanz den Boden berührten, hieß es, wuchsen Feuerblumen in die Nacht.  


Mordren FaêrladirSo kam es, das Mordren Faêrladir Riafinya tanzen sah in einer mondhellen Nacht auf den Lichtungen Siams und ihm war, als habe er niemals etwas Schöneres gesehen. Die beiden verlebten einen geheimen, schmerzlich süßen Sommer und durchstreiften gemeinsam den Wandernden Wald und gelegentlich auch die verbotenen Gefilde jenseits des Verzauberten Flusses und der Grenzen. Als der Herbst kam, bat Mordren mit Riafinyas Einverständnis ihren Vater, seinen König, um ihre Hand. Farfar Tianbashôr jedoch, getrieben von väterlicher Eifersucht, aber auch echter Sorge um sein noch so junges Kind, verweigerte seinem größten Jäger und edelsten Gefolgsmann diese Ehre. Und Mordren, schwarz vor Zorn ob dieser Schande und dem Schmerz der Zurückweisung verließ den Hof und Siam und wanderte weit hinaus in die Wüsten von Hôth - allein. Riafinya blieb zurück, verzweifelt und den Vater anflehend, der sich nicht erweichen lassen wollte. Selbst mit ihrem jüngerer Halbbruder, den sie sehr liebte, brach sie, weil er sich auf des Vaters Seite stellte. Dunkle Träume plagten sie, ihr Herz und ihre Gedanken weilten bei Mordren in der Einsamkeit. Mordren aber wanderte in das Meer aus Sand und verfluchte die Sterne und das Leben - und vor allem die Liebe. Er war nicht nur ein Mann von großem Wissen und großer Kraft, sondern auch von übermäßigem Stolz und Ehrgeiz. Unaufhaltsam sind die Pfade der Dunkelheit - denn dort in den einsamen Sandtälern der Wüste, begegnete Mordren einem der ältesten Schrecken, Jelxorilach, dem Dämon der Erde, erschaffen vom Dunklen in der Großen Finsternis noch vor Anbeginn der Zeit, und dieses Wesen erwies sich als stärker als der Große Jäger. Lange rang er im Geist mit dem Dämon, doch schließlich unterlag er und ohne dass er es wahrnahm, schlich sich die Finsternis in sein Herz und vergiftete seine Seele.

 
Voller Scham und noch immer verhaltener Wut kehrte er nach Siam zurück, bereit Riafinya auch ohne die Einwilligung ihres Vaters mit sich zu nehmen, doch als er der Geliebten gegenüberstand, erkannte sie, was er nicht sah oder nicht sehen wollte: den Schatten auf seinem Herzen. Und als er sie bat, mit ihm zu fliehen, ihrer Heimat und ihrem Vater zu entsagen, um an seiner Seite sein zu können, da wies sie ihn schaudernd ab und schrak vor ihm zurück - denn sein geliebtes Gesicht war in Wahrheit eine Fratze der Machtgier und Grausamkeit, und sie erkannte ihn nicht mehr. Mordren Shunjawartho war zu Mordren Shunjanar, dem Schattenherzen geworden, und als Riafinya vor ihm floh, da lachte der Dämon in seinem Herzen und der Jäger erkannte die Falle, in die er gegangen war und aus der er sich nun nicht mehr befreien konnte. Er fluchte in seinem schwarzen Zorn so götterlästerlich über sein Volk, seine Heimat, ja sogar die Götter selbst und erging sich in solch schrecklichen und grausamen Blasphemien, dass er für alle Zeit aus seiner Heimat verbannt und sein Name im Buch der Elbenhäuser ausgelöscht wurde. Riafinya jedoch blieb mit gebrochenem Herzen zurück und das warme Feuer in ihr, jene sanfte Glut, schien für immer erloschen. Nur als Schatten ihrer selbst wandelte sie fortan durch die Stille des Wandernden Waldes von Siam und alle Feuerblumen auf den Lichtungen, wo sie einst getanzt, welkten dahin und starben.

 
Mordren jedoch rastete und ruhte nicht - in den Tiefen der sonnenverbrannten Wüste von Hôth rief er den Dämon und gab sich ganz der Finsternis hin. Er schwor seinem Volk und den Lehren der Zwölf ab, huldigte dem Dunklen und sang Lob der schwarzen Leere zwischen den Sternen, die grausam und kalt ist wie der Tod. Und als der Winter verging und ein neuer Frühling über Siam kam, da kehrte er zurück mit einer Streitmacht der Dunkelheit und des Chaos, mit Dämonen und Schattenwesen und Bestien aus der Finsternis, um sich zu holen, was sein war: so begann er den Krieg der Schatten und überzog Siam mit Schrecken und Terror. Die vereinten Heere aller Elbenvölker siegten schließlich auf dem Feld des Feuers, doch Tausende Kinder des Morgens starben und die wundervollen wandernden Wälder Siams brannten zu großen Teilen nieder. Faêyris selbst, die Göttin der Nacht, so künden die Legenden, war es schließlich, die das Morden beendete: als Einhorn erschien sie auf dem Schlachtfeld und verbannte den Ältesten Dämon zurück in die Finsternis, aus der er gekrochen war. Mordren Schattenherz jedoch, der vom Feld des Feuers floh, um dem gerechten Zorn der Elbenkönige zu entgehen, verdammte sie zu ewigem, seelenlosen Leben  in den schwarzen Tiefen der Unterwelt. Und noch heute geht die Mär von einem finsteren Jäger, der die Ebenen der Unterwelt durchstreift, rastlos, ruhelos, seinen unglücklichen Opfern die Seele raubend und doch niemals Frieden findend. Riafinya jedoch verließ ihre Heimat und ihr Volk, und niemals wieder wurde sie im grünen Schatten der Bäume von Siam gesehen...


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