~ Chaorlia ~

 

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onntet Ihr jemals die mächtigen Mauern von Saênyc erblicken, wie die uralte Zwergenfestung dem Lauf der Zeiten und dem Wandel der Welt trotzt?

 
 
Es begab sich, dass der Clan der Grimmer, den alten Legenden von Torrdhur, der mächtigen Feste ihrer Vorfahren, folgend, sich niederließ am westlichen Fuß der Dornenspitzen um zu schürfen nach edlem Gestein und den ehernen Adern der Erde. Viel fanden sie dort, großen Reichtum und wahrhaftige Schätze. Sie lebten dort glücklich und bauten eine mächtige Festung unter und über der Erde, so dass die Immerlande sehen konnten, dass die Zwerge die wahren Meister der Steine wären. Tiefer und tiefer drangen sie ins Mark des Berges vor, bis sie eines Tages einen Durchbruch schufen und unversehens Fuß in die Unterwelt setzten. Aufregung machte sich breit unter dem Zwergenvolk, denn was so gut versiegelt und verschlossen,  ward nun freigelegt. Aber die Neugier trieb sie voran und so ließen sie das Tor geöffnet. Doch sie sollten nicht lange unbemerkt bleiben, denn das Volk der Shasad'ya lebte eben dort und wurde schon bald der Eindringlinge und dem Zugang zur Oberwelt gewahr. Tiefer Hass lodert in den Herzen der Schlangenelben, denn zu einem Leben in der Dunkelheit  verbannt, sollten sie nie Shenrahs Antlitz erblicken und begehrten es daher umso mehr. Doch die Zwerge sind ein starkes Volk und große Kämpfer und so war der Durchgang für die Shasad'ya nicht passierbar.  

 
Es begab sich, dass der Oberste des Grimmer-Clans, von Neugier getrieben,  allein in das finstere Reich unter der Erde aufbrach und eine Weile dort umherwanderte. Und dort traf er auf eine Schlangenelbin, die ebenfalls allein durch die Ebene streifte. Aber er tötete sie nicht, denn er fand Gefallen an ihren Bewegungen und ihrem schlanken Profil, so völlig anders, als die Erscheinung seines eigenen Volkes. Tag um Tag und Stunde um Stunde folgte er ihr und labte sich an ihrem Anblick, der sein Herz erfreute, die Fehde der Völker vergessend. Und eines Tages geschah es, dass die beiden sich gegenüber standen und einen Kampf ausfochten, bei dem jedoch ihre Herzen siegten und sie alsbald eine verbotene Freundschaft begannen. Und so sprachen ihre Seelen miteinander und was aus dem Hass geboren, fand nun in einer seltsamen, innigen Liebe das Leben, und die Heimlichkeit ihres Zusammenseins erfüllte beide mit großer Trauer.  

 
Doch die Shasad'ya sind wachsam und misstrauisch, und so dauerte es nicht lange, da ward die verbotene Verbindung bemerkt. Entdeckt,  jedoch nicht unterbunden,  stellte sie doch einen Weg dar, die Zwerge zu treffen. Der Plan war unausgegoren, doch des Zwerges innigster Wunsch war es, seiner Geliebten die Reichtümer und die Schönheit seines Volkes zu offenbaren und so führte er sie eines Tages – oder war es nachts? – auf geheimen Wegen in sein Reich, nicht wissend, dass die dunklen Elben ihnen leise und listig wie wirkliche Schlangen folgten, bis sie alle Wachen umgangen hatten und sich im Innersten der Zwergenfestung wiederfanden. Und wie ein Geschwür, das einen Körper unaufhaltsam von Innen zerfrisst, so bahnten sie sich ihren Weg und fielen den ahnungslosen Zwergen in den Rücken,  und ein fürchterlicher Kampf entbrannte. Doch die List und der Argwohn der Zwerge ist groß und so fanden sich beide Fronten in einer riesigen unterirdischen Halle wieder, die Türen versiegelt durch die raffinierten Mechanismen, die das Zwergenvolk im Laufe der Zeitalter erdacht  hatte.  
 

Die Herzen der Schlangenelben aber sind schwarz und von Gram und Hass zerfressen, und so nahmen sie das Elbenweib und hielten ihr einen erbeuteten Zwergendolch an die Kehle um sich Freiheit zu erpressen. Im Innersten zerrüttet stand der Oberste der Zwerge nun zwischen seinem Volk, seinem Clan und der Liebe seines Lebens, die doch zu seinen Todfeinden gehörte und wusste nicht ein noch aus. Fast war er bereit, die Shasad'ya gehen zu lassen, wissend, dass ihn sein Volk verstoßen würde ob dieses Verrats. Doch die Maid selbst griff zum Dolch und sprach: "Liebe soll Leben hervorbringen und Glück, doch sie gebiert nur Hass und Zwietracht. Soll ich meinen Liebsten niemals nahe sein können, so will ich diesem kläglichen Dasein ein Ende bereiten. Mein Innerstes starb im Moment des Verrats, doch wisset, dass meine Liebe zu dem Sohn der Steine die Zeiten überdauern wird, wenn mein Körper schon längst in den Schoß der Erde zurückgekehrt ist." So nahm sie die Klinge und durchtrennte sich den Hals, und verstarb noch in demselben Moment. Und der Zwerg setzte zu einem Wehklagen an, das Fels und Gestein und die beiden Völker im Innersten erschütterte und aller Lebensmut verließ ihn, als er neben dem Leichnam seiner Geliebten saß. Im Angesicht ihrer gebrochenen Augen und der verfeindeten Völkern wurde sein Herz zu Stein. Vereint in ewiger Umarmung mit seines Lebens größter Liebe verging der Körper, der dem Zwerg Gestalt verlieh und zurück blieb Chaorlia, das Herz aus Stein, während die Hallen über den Kämpfenden von ihren Erbauern selbst zum Einsturz gebracht wurden und den Hass und das Blut auf immer unter sich begruben. Und so ruht es nun dort in stiller, kalter Trauer, während die Zeitalter vergingen und Legenden kamen, um von der unglücklichen Liebe des Zwerges und der Schlangenelbe zu künden, während die Sonne schien und unterging, und der Schnee die Erde mit der sanften weißen Decke des Vergessens bedachte.

 

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