~ Sklaverei in den Immerlanden ~

 

Die Sklaverei hat in den Immerlanden eine lange und leidvolle Geschichte, doch unter den Gründerrassen – mit Ausnahme der Riesen - kam sie niemals vor und auch die Elben haben nie Sklaven besessen. Viele betrachten die Sklaverei an sich als eines der zahllosen Übel, die der Dunkle nach Roha gebracht hat. Tatsächlich war es im Königreich des Blutes, wo Sklavenhaltung und der Sklavenhandel mit Angehörigen aller möglichen Völker seine Anfänge nahm. Unter allen Stämmen der Ersten Menschen und auch im späteren Verborgenen Königreich, darin sind sich die Gelehrten einig, gab es zunächst weder Sklaverei noch Leibeigentum. Der Gedanke, einen anderen zu besitzen, war den Menschen zwar nicht fremd, waren sie doch selbst lange Jahre Sklaven des Königreichs des Blutes gewesen, doch verhasst.


Aber schon gegen Ende des Dritten Zeitalters war die Sklaverei auch in den Neun Königreichen der Menschen verbreitet und beschränkte sich auch nicht nur auf Angehörige der eigenen Rasse - es gab jedoch lange keinen organisierten Sklavenhandel. Sklaven und Sklavinnen wurden auf Kriegszügen und von Piraten erbeutet, gelegentlich weiterverkauft und vererbten diesen Status auf ihre Kinder. Sie wurden zumeist in Haus- und Landarbeit, manchmal auch im Waffendienst eingesetzt. Sklaven wurden zwar in keinem der alten Gesetze, die erhalten blieben, erwähnt, so dass anzunehmen ist, dass sie völlig rechtlos und ohne jede Ehre waren, doch ihre damalige Existenz belegen mehrere Schriften aus jener Zeit, die davon künden, dass Sklaven verschenkt oder verkauft wurden, Teile einer Mitgift bildeten, als Kriegsbeute verschleppt oder weitergegeben wurden, um Schulden zu begleichen.


Einen ersten Aufschwung erlebte die Sklaverei in den Immerlanden mit der Gründung und dem Aufstieg des Imperiums von Tamarlon zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert des Vierten Zeitalters. Vhaerago Dracayren erbeutete allein in seinen Kriegen Tausende von Sklaven, die er vor allem als ständigen Nachschub für seine eigenen Armeen brauchte. Doch auch in den folgenden Jahrhunderten gab es immer Sklaven im Imperium Tamarlons und es herrschte reger Handel mit ihnen, auch wenn er sich vor allem auf Angehörige nicht tamarlonischer Stämme oder gar andere Rassen beschränkte. In den Vaieranischen Gesetzen, erlassen von König Vaieras Dracayren (*468 VZ – † 681 VZ) wurden Unfreie oder Sklaven zum ersten Mal erwähnt und mit gewissen Rechten ausgestattet. So war dort beispielsweise festgeschrieben, dass ein Bürger Tamarlons keinen anderen Untertanen des Reiches als Sklaven verkaufen oder erwerben durfte. Auch hatte ein Sklave fortan das Recht, ein eigenes Vermögen aus Belohnungen oder einem Nebenverdienst zu erwerben und sich selbst loszukaufen, was ihm gewährt werden musste.

Freikäufe oder auch Freilassungen waren ohnehin verhältnismäßig häufig. Die wenigsten tamarlonischen Sklaven blieben bis zum Ende ihres Lebens unfrei, und ein freigelassener Sklave hatte die vollen Bürgerrechte. In späteren Zeiten, vor allem im 7., 8. und 9. Jahrhundert, nahm die Zahl der Freilassungen sogar so stark zu, dass König Naeyris II. (* 899 VZ – † 1007 VZ) Gesetze erließ, welche die Freilassung von Sklaven einschränkten. Die andererseits ebenso häufige brutale und grausame Behandlung der Sklaven, gab jedoch wiederholt Anlass zu zahllosen Aufständen und zwei Sklavenkriegen. Insbesondere der "Aufstand der Vierzigtausend" im Jahr 1240 des Vierten Zeitalters nahm für Tamarlon gefährliche Ausmaße an. In der Schlacht am Naryn starben laut den Chronisten 36.000 Sklaven, die 4000 Überlebenden wurden entlang des Königswegs am Airte zwischen Eilean Donan und Lair Draconis gekreuzigt.


Erst mit der Gründung des Imperiums von Ûr kam es zum völligen Ende der Sklaverei und des Sklavenhandels im gesamten Herrschaftsgebiet von Ûr, denn Cobrin der Priester ließ beides per Gesetz abschaffen. Hunderttausende von Sklaven wurden mit einem Schlag freie Bürger und schlossen sich den neuen Imperialisten um Cobrin in Scharen an - und dank des Drucks, den das Imperium in den folgenden Jahrzehnten auf seine Handelspartner und Nachbarländer ausübte, war die Sklaverei auch dort bald Geschichte. Selbst zu den Zeiten des Niedergangs Ûrs, bis zu seinem Zerfall am Ende des Vierten Zeitalters, wurde fast eintausenddreihundert Jahre lang keine Sklaverei im zweiten Imperium der Menschen praktiziert. In Laigin, im Norden und in den Ost- und Drachenlanden gab und gibt es allerdings nach wie vor Leibeigene und Unfreie, die jedoch nie völlig rechtlos waren.


Im Fünften Zeitalter, nach dem Untergang Ûrs, lebte die Sklaverei schon während der Zeit des Blutes und der Kleinkriege sehr rasch wieder auf. Bar aller staatlichen Strukturen, die dem Treiben Einhalt hätten gebieten können, erfuhr der Sklavenhandel ab dem 1. Jahrhundert des Fünften Zeitalters vor allem in Azurien, an der Rubinküste, auf den Sommerinseln und in den Freien Städten der Ostlande, sowie auf Barsa ungeheuren Aufschwung. Heute, im 5. Jahrhundert des Fünften Zeitalters, ist der Sklavenhandel für die Wirtschaft des gesamten Südens der Immerlande von einiger Bedeutung.


Der Charakter der Sklaverei ist hierbei jedoch auf dem Festland zumeist ein anderer, als auf Tafraut und den Sommerinseln, wo ständiger Bedarf an billigen Arbeitskräften für die riesigen Plantagen herrscht. In Azurien etwa dienen Sklaven vor allem im Bereich der Unterhaltung, in den Harems, den Tavernen, den Hurenhäusern und Gladiatorenarenen, als persönliche Bedienstete, als Landarbeiter oder aber als ausgebildete Krieger und Wächter. In den Freien Städten der Ostlande sind Sklaven hauptsächlich Leibwächter oder Diener und vor allem Gladiatoren. Auf Barsa hingegen dienten Sklaven bis zur Eroberung der Insel durch die Normander, wie auch an der Rubinküste unter den Shebaruc, in erster Linie als Opfer für die ewig blutdurstigen Tempel der dunklen Archonen und ansonsten je nach Launen ihrer Herren entweder für sexuelle Dienste oder als Knechte für jedwede Arbeit. Als größte Umschlagplätze für Sklaven gelten heute Banjul auf Tafraut, Naggothyr, Raia'tea auf den Sommerinseln, die Piratenstädte in der Bucht der Schatten sowie Cardossa und Ambar in den Ostlanden. In Immerfrost, den Rhaínlanden und in den Herzlanden sind Sklaverei und Sklavenhandel jedoch nach wie vor verboten.


Auch im Norden, in Laigin und in den Drachenlanden hält man nicht allzu viel davon, auch wenn es dort keinerlei Gesetze dagegen gibt. In Normand und Laigin gibt es außerdem ohnehin Hörige, das heißt Unfreie, die - zumindest eine Zeit lang - de facto ebenfalls Sklaven sind. Allerdings kann ein Höriger nur im Krieg erbeutet werden, darf nicht verkauft und nicht misshandelt werden, ist angemessen zu versorgen und nach spätestens acht Jahren Dienst in die Freiheit zu entlassen. Hörige dürfen nicht die Waffen eines freien Mannes - Axt und Schwert - tragen, müssen ihrem Herrn jedoch mit Keule, Flegel oder Speer auch Kriegsdienst leisten, sofern sie dazu tauglich sind. Sie dürfen ohne Erlaubnis ihres Herrn nicht heiraten, doch sie geben ihren Status nicht zwangsläufig an die Kinder weiter, die während ihrer Hörigenzeit geboren werden. Sie sind sehr wohl Eigentum, doch sie sind auch ebenso angemessen zu entschädigen, wenn sie frei gelassen werden. Das Gesetz schreibt sehr genau vor, wie: für jedes Jahr Dienst hat ein Höriger die Hälfte des Lohnes zu erhalten, den ein freier Knecht erhalten hätte, er darf aber auch in Land (mindestens jedoch so viel, dass vier Kühe oder acht Schafe darauf zu halten sind) oder Viehbestand, oder aber in Vaðmála von vergleichbarem Wert entlohnt werden. Ist er frei, hat er fortan die gleichen Rechte, aber auch die gleichen Pflichten wie ein frei Geborener und gilt als Untertan des Königs. Er darf freie Waffen tragen und am Thing teilnehmen, eine freie Frau ehelichen, Land besitzen und Handel treiben - oder seinerseits Hörige besitzen, wenn er sie im Krieg erbeutet und für sich beansprucht. In den Drachenlanden und in Laigin ist die Leibeigenschaft vor allem unter armen Bauern noch weit verbreitet, doch sind die Gesetze für diese den nordischen Hörigenrechten ähnlicher als dem nahezu völlig rechtlosen Sklavenstatus.


Nach dem ersten großen Sklavenaufstand von Kheyris, der blutig niedergeschlagen wurde und hunderttausend Sklaven das Leben gekostet haben soll, wurde im Jahr 263 des Fünften Zeitalters der "Kodex von Naggothyr" erlassen, um weitere solcher Revolten zu vermeiden - und das eigene Gewissen, sofern vorhanden, zu beruhigen. Der Kodex umfasst 23 Gebote, welche die Bedingungen für Sklavenhaltung und Sklavenhandel festlegen, allerdings gelten sie nur innerhalb des Azurianischen Städtebundes, auf den Sommerinseln, in Kheyris und in den Freien Städten der Ostlande. Weder die Shebaruc, noch die Azadoura oder die Formoren, die gefürchteten Hexerpiraten und Schattenwanderer des Nordmeeres, haben den Kodex je akzeptiert und erkennen ihn auch bis heute in keiner Weise an. In den freien Städten der Ostlande wird er strikt befolgt und auch in den meisten azurianischen Städten wird recht streng auf seine Einhaltung geachtet - aber keineswegs allerorts. In Culuthux beispielsweise geht es Sklaven sehr viel schlechter als etwa in Mar'Varis, und in Kheyris ist der Kodex von Naggothyr der blanke Hohn, vor allem auf Tafraut, wo ein Sklave so rechtlos ist, wie ein Wesen nur sein kann. Auch auf den Sommerinseln werden die Gebote des Kodex nicht immer absolut befolgt, doch Sklavenschinderei ist nicht allgemein verbreitet und hängt sehr vom jeweiligen Halter ab.

 

Kodex von Naggothyr

 

  • Sklavenhalter dürfen sich nicht in die Religionsausübung ihrer Sklaven einmischen.

  • An den Hohetagen des Zwölfgötterglaubens dürfen keine Sklavenmärkte abgehalten werden.

  • Freie, verheiratete Männer, die ein Kind mit einer Sklavin haben, werden mit einem Bußgeld belegt, ebenso der Besitzer der Sklavin. Ist der Mann selbst Besitzer der Sklavin, werden ihm Sklavin und Kind weggenommen. Ist der Mann nicht verheiratet, soll er die Sklavin heiraten und so Sklavin und Kind von der Sklaverei befreien.

  • Sklaven dürfen eine Ehe nur mit Erlaubnis des Besitzers schließen. Sklaven werden nur mit ihrer eigenen Zustimmung verheiratet.

  • Kinder von verheirateten Sklaven sind ebenfalls Sklaven, sie gehören dem Herrn der Mutter.

  • Kinder von einem männlichen Sklaven und einer freien Frau sind ebenfalls frei.

  • Sklaven dürfen keine Waffen tragen, außer mit Erlaubnis ihres Herren bei der Jagd.

  • Sklaven, die verschiedenen Herren gehören, dürfen sich zu keiner Zeit und unter keinen Umständen versammeln.

  • Sklaven dürfen weder Zuckerrohr, Cofea, noch Gold, Edelsteine oder Moltakis verkaufen, auch nicht mit Erlaubnis ihres Herren.

  • Andere Waren dürfen Sklaven nur mit Erlaubnis ihres Herren verkaufen.

  • Um kranke Sklaven muss sich der Besitzer kümmern. Besitzer, die dies nicht tun, werden mit einem Bußgeld belegt.

  • Sklaven dürfen vor Gericht nicht als Partei auftreten.

  • Ein Sklave, der gegen seinen Herrn, dessen Frau, die Kinder oder Verwandte die Hand erhebt, wird hingerichtet.

  • Entflohene Sklaven, die länger als einen Mond verschwunden waren, werden die Ohren abgeschnitten und sie werden gebrandmarkt. Beim zweiten Mal wird die Achillessehne durchtrennt. Beim dritten Mal werden sie hingerichtet.

  • Herren von freigelassenen Sklaven, die Flüchtlingen Unterschlupf gewähren, werden mit einem Bußgeld belegt.

  • Ein Herr, der einen Sklaven fälschlich eines Verbrechens beschuldigt, wird mit einem Bußgeld belegt.

  • Herren dürfen Sklaven in Ketten legen und züchtigen, aber sie dürfen sie nicht foltern.

  • Herren, die einen Sklaven aus nichtigen Gründen oder grundlos töten, werden bestraft.

  • Sklaven können nicht verpfändet werden, beim Tod eines Herrn werden sie gleichmäßig an die Erben verteilt.

  • Sklaven-Ehepaare und ihre Kinder bis zum zehnten Jahr dürfen nicht getrennt verkauft werden.

  • Sklavenhalter, die mindestens zwanzig Jahre alt sind, können ihre Sklaven freilassen.

  • Freigelassene Sklaven sind Untertanen des jeweiligen Landes, egal wo sie geboren wurden.

  • Freigelassene Sklaven haben dieselben Rechte wie die Untertanen des jeweiligen Landes.

 


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DSGVO