~ Die Ältesten Wesen ~

 

Die Drachen


Die Großen oder Wahren Drachen - von den Elben auch Hohe Drachen genannt - sind die einzigen Vertreter ihrer Art. Drachen sind majestätische Kreaturen von enormer Größe und Kraft und hoher Intelligenz und die ersten der Ältesten Wesen. Sie wurden von den Göttern aus reiner Magie erschaffen und nehmen einen besonderen Platz in der Schöpfungsgeschichte ein. In mancher Hinsicht verkörpern die Drachen Naturgewalten - sie sind monströs und gigantisch, dabei aber dennoch anmutig und schön. Sie sind körperlich, doch auch magisch, intelligent und dennoch wild, gut und böse, sanft und überwältigend. Wie alle Ältesten Wesen sind sie unsterblich und obwohl sie altern, scheint ihre natürliche Lebensspanne keine Grenzen zu kennen, denn mit zunehmender Zahl an Jahren werden sie nur mächtiger, erfahrener und weiser. Alle Drachen können sprechen, beherrschen die ihnen eigene Sprache, das Venyhas, und eine Vielzahl anderer Sprachen der Völker Rohas. Sie können fliegen, besitzen den gefürchteten Drachenodem und sind überdies noch dazu fähig, mächtige, elementübergreifende Magie zu wirken, von ihren gewaltigen Körperkräften einmal ganz abgesehen. Außerdem sagt man ihrem Blut noch nach, es mache 'unverwundbar'. Drachen sind heute äußerst selten in den Immerlanden und jene, von denen man weiß, lassen sich an zwei Händen abzählen. In vielen Gegenden sind sie daher schon seit langer Zeit nicht mehr als ein Mythos, der Mittelpunkt schöner alter Lieder und Sagen. Trotzdem gibt es sie nach wie vor und ebenso gibt es Regionen, in denen die Menschen und andere dort beheimatete Wesen in ständiger Furcht vor einem etwaigen Drachenüberfall leben, auch wenn der Drache, dem diese Furcht gilt, vielleicht schon seit sehr langer Zeit schläft. Andererseits gibt es Lande, von denen es heißt, sie würden von Drachen beschützt und behütet, etwa Laigin oder der sagenumwobene Dunkelwald.

Da Drachen in den Immerlanden so selten sind, wissen selbst die Gelehrtesten der Drachenkunde nicht viel über diese uralten, machtvollen Geschöpfe. Gleichwohl haben einige von ihnen ihre Spuren in der immerlandschen Geschichte hinterlassen – manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Ihr Stolz ging dereinst sogar soweit, dass sie sich in ihrer Überheblichkeit für göttergleiche Wesen erachteten und zur Strafe von den Zwölf Mächten dazu verdammt wurden, ein Erdenzeitalter als Sterbliche in Menschengestalt zu verbringen, all ihrer Fähigkeiten bis auf ihr großes Wissen beraubt. In jenen Zeiten, welche die Drachen selbst das Zeitalter der Schande nennen, wandelten einige von ihnen als Lehrer und Mentoren unter den Völkern der Menschen und Zentauren. Nicht zuletzt verdanken ihnen die Sternendeuter Assuarans ihr Wissen über den Südlichen Nachthimmel und dessen Sternbilder, und die Kartographen ihre Kenntnisse über die ungefähre Größe und Lage des Kontinents. Andere Drachen zogen sich während jener Zeiten vollkommen in die Einsamkeit zurück und manche wurden sogar wahnsinnig. Als das Zeitalter der Schande für sie zu Ende ging, verließen die meisten von ihnen die Immerlande und zogen fort in die unbekannten Weiten und Winkel Rohas oder, glaubt man einigen Geschichten, gar zu den Göttern auf die Hohen Gestirne. Die Urmutter aller Drachen war Mhyarhukamao, die Goldene, die im Krieg der Geißel vom Dunklen erschlagen wurde. Der Legende nach legte sie dereinst vier Eier und aus ihnen schlüpften ihre vier Kinder: Flearshil Flammenherz, Rhuarkaynakhôr Erdkralle, Ilkhâar'sial Windbruder und Ss'ylliandriel Tiefklar. Fortan gab es Feuer-, Erd-, Sturm-, und Seedrachen.



Dracheneier
Eier von Erd-, See-, Sturm- und Feuerdrache


Im Buch des Laiginers Éamonn Brugha 'Von den Drachen', das einzige wirklich ernsthafte Werk über die ältesten der Ältesten Wesen, heißt es unter anderem über Drachen, dass sie 'eine geradezu unstillbare Gier nach Wissen, eine besondere Vorliebe für Musik und Poesie, und ein ganz besonderes Faible für Rätsel besäßen'. "Kein Drache Rohas kann einem Rätsel widerstehen" sagt auch ein altes Koboldsprichwort, also mag daran durchaus etwas Wahres sein. 'Ob ein Drache gut oder böse zu nennen ist', schreibt Brugha weiter, 'hängt allein von seinem Charakter und seiner Gesinnung ab, denn längst nicht alle Drachen sind feuerspeiende, Jungfrauen verspeisende Ungeheuer'. Allen jedoch sei gemein, dass sie ein gerütteltes Maß an Stolz, Eitelkeit und Arroganz besitzen würden und sich als absolute Einzelgänger die meiste Zeit ihres Lebens ausschließlich mit sich selbst beschäftigten, ja, in ihrem Hochmut die meisten anderen Lebewesen sogar als zu gering erachteten, um sich überhaupt mit ihnen abzugeben. Sie seien leidenschaftliche Sammler kostbarer und magischer Schätze, Hüter unermesslichen Wissens und uralter Mysterien oder sonstiger Seltenheiten, und würden ihren Besitz in der Regel bis auf die allerletzte Unze ganz genau kennen. Die meisten Drachen hätten ohnehin einen Hang zu Pedanterie und Perfektionismus. Außerdem läge eine gewisse listige Verspieltheit in ihrem Wesen, denn sie würden es lieben zu tricksen und zu täuschen, ihre Gegner - oder Opfer - in eine Falle zu locken oder in ein Intrigenspiel zu verwickeln. Allerdings verbrächten Drachen einen Großteil ihres langen Lebens mit Schlafen. Selbst wenn sie wach wären, ruhten sie die meiste Zeit, doch ihre einzigartige Wahrnehmung funktioniere selbst im Tiefschlaf ausgezeichnet, weswegen es schon wirkliche eines Meisterdiebes oder außerordentlich findigen Spähers bedürfe, um sich unbemerkt einem schlafenden Drachen zu nähern. Drachen seien zudem reine Fleischfresser, doch müssten sie nur alle paar Jahrzehnte Nahrung aufnehmen und würden dicht besiedelte Gebiete auf ihren Jagdflügen eher meiden, was ihrem geheimnisvollen Ruf nur zugutekäme.


Was man hingegen weiß ist, dass Drachen sich nur alle paar hundert Jahre paaren und dass Drachenweibchen Eier legen. Wie lange - oder ob überhaupt - sie brüten, weiß niemand mit Sicherheit zu sagen. Erwiesen ist jedoch, dass Drachen fürsorgliche Eltern sind, die ihren Nachwuchs viele Jahrzehnte behüten, beschützen und ihn auch einiges lehren. Erddrachen sind die größten der an Land lebenden Drachen, Seedrachen hingegen die größten Vertreter ihrer ganzen Art. Alle Drachen sind fähig zu sprechen, können sämtliche Arten arkaner Magie wirken und besitzen Drachenodem, das heißt, sie sind in der Lage, durch Drüsen in ihrem Maul, die beidseitig neben ihren Zungen liegen, Feuer zu speien. Versteinert Drachenblut in der Erde – wie an der Rubinküste in den Yorundarbergen, wo der Leib der Goldenen Urmutter aller Drachen nach ihrem Kampf mit dem Dunklen aufschlug, ihr Gebein die Berge verformte und ihr Blut den Boden tränkte –, entsteht daraus Rashan, ein bronzerotes Metallerz, das in der Lage ist, arkane Magie zu neutralisieren.


Heute, im Fünften Zeitalter der Welt, leben in den Immerlanden nur noch wenige Drachen von denen man mehr oder weniger sicher weiß, dass es sie gibt, auch wenn ihr wahres Wesen nicht immer allgemein bekannt ist. Einige wenige Eingeweihte haben Kenntnis davon, dass Pól An Bhriotin, Erzmagier des Elements Feuer und Lehrmeister an der Arkana von Sorbonn, eigentlich ein sehr alter und mächtiger Feuerdrache namens Ríllúris, ein Sohn von Flearshil Flammenherz und Erschaffer der Drachenkarten ist. Im Dunkelwald, munkelt man, lebe Anóerialitée, ein weiser und zumindest dem geheimnisvollen Baumvolk eher wohlwollend gesonnener Erddrache von gigantischen Ausmaßen – sage und schreibe zweiundsiebzig Schritt soll er von der Schnauze bis zur Schwanzspitze lang sein und eine Flügelspannweite von fast 65 Schritt besitzen. Dann gibt es noch Ragnaron'ar Kaltherz - von dem nur der Name bekannt ist, den ihm die Elben Dúnes einst gaben, nicht aber sein wahrer Venyhasname - ein schneeweißer Erddrache, der wegen seiner ungewöhnlichen Farbe auch "Frostdrache" genannt wird. Er erbaute für Serassher Zedernherz, den Winterkönig von Dúne, dereinst die Lange Mauer und tötete dessen Söhne, die Winterprinzen, als er nicht bekam, was ihm als Lohn versprochen wurde. Der Legende nach schläft Ragnaron'ar seither auf dem Zornstein, dem höchsten Gipfel des Wolkenthrons, und der ganze Norden fürchtet den Tag seines Erwachens. Auch er ist ein Erddrache von gewaltigen Ausmaßen, aber wohl nicht ganz so groß wie jener des Dunkelwaldes. Eine weitere Vertreterin dieser Drachenart, Iunerîta'e Erdherz, ist die selbsternannte Schutzpatronin Laigins und lebt ebendort in der Garadh Rìghinnáluin, einer Höhle in den Bergen Glamorgans nahe Armagh. Sie wandelt allerdings oft unerkannt in Menschengestalt im Hochkönigreich, nimmt dort längst den legendären und hochverehrten Status einer Heiligen ein und ist Mittelpunkt zahlloser Sagen, Lieder und Geschichten. Im Hochland von Mek'ele in Azurien soll seit einiger Zeit ein noch recht junger und entsprechend ungestümer Feuerdrache namens Nigrésríta'e Schwarzflammentanz hausen und in den Gewölben Sommerhalls lebt, glaubt man die wenigen verlässlichen Gerüchten über Annwfyn, die Insel der Nebel im Ildorel, der Seedrache Inerukei, der einst auf die Insel kam, um die erste Wächterin des Steinherzens, Nimue, eine Druidin und seine Geliebte, zu beschützen. In der ersten Dekade des Fünften Jahrhunderts des Fünften Zeitalters wurde in und um Talyra immer wieder ein sehr junger Sturmdrache gesichtet, der schlicht als 'Silber' bekannt war, doch was dann aus ihm wurde, ist nicht weiter bekannt.


Berühmt-berüchtigte Drachen der Vergangenheit sind neben Mhyarhukamao der Goldenen, der Urmutter aller Drachen und ihren vier Kindern beispielsweise noch Nhayx'xylhor Schwarzherz, Anführer jener Drachen, welche der Dunkle verdorben und auf seine Seite gezogen hatte, Daythren Sturmsohn, legendärer Begründer des Hauses Dracayren und Stammvater der Drachenkönige des Imperiums von Tamarlon, Rauch, ein Seedrache, welcher einen von Daythrens Nachfahren erschlug, der glaubte, sich in seiner Drachengestalt im Kampf mit ihm messen zu können, und Kharan'Rhkarr, die Geißel des Westens, der einzige Drache, der jemals im Kampf von sterblichen Wesen erschlagen wurde, wenn auch nur durch eine List und mithilfe eines Berges, den man über ihm zum Einsturz brachte.

Erddrachen



Erddrachen sind mit einer Größe von dreißig und mehr Schritt Körperlänge - ohne den langen Schweif, der noch einmal gut 30 Schritt lang werden kann - die größte der an Land lebenden Drachenarten. Ihr Farbspektrum reicht von metallischem Bronzebraun über alle Schattierungen von warmen, satten Grüntönen bis hin zu reinem Gold oder sogar schneeigem Weiß. Eines ihrer hervorstechendsten Merkmale ist, dass ihre Vorderbeine deutlich länger werden, als ihre Hinterbeine, sie also natürlicherweise eine hohe Aufrichtung besitzen. Erddrachen tragen Hörner, meist leicht gebogen und aufwärtsgerichtet. Es sind mindestens zwei, manchmal auch vier oder mehr, doch es ist stets eine gerade Anzahl, und die Hörner sind immer paarweise angeordnet. Erddrachen tragen sowohl recht großflächige Schuppen, vor allem an Hals und Rücken, deren Anordnung oft einem Lamellenpanzer gleicht, als auch sehr viel kleinere am übrigen Körper. Auf ihrer Rückenlinie besitzen sie zudem einen Kamm horniger Auswüchse in bizarren, unregelmäßigen Formen. Die Schwanzspitze kann mit zusätzlichen Dornen oder Schuppenplatten bedeckt sein. Auch an den Knochen ihrer ledrigen Schwingen tragen sie lange Krallen und dornige Zackenfortsätze an den Gelenken, ebenso an ihren mächtigen Pranken. Wie alle ihrer Art können auch Erddrachen ein ungeheures Farbspektrum sehen, das weit über jenes menschlicher oder elbischer Sicht hinausgeht, haben ein außerordentlich feines Gehör und einen ausgezeichneten Geruchssinn, der dem eines Spürhundes in nichts nachsteht. Sind in der Lage zu sprechen und können alle arkanen Magiearten wirken, obwohl ihnen, als das was sie sind, die Magie der Erde am vertrautesten zu sein scheint. Natürlich besitzen auch sie den gefürchteten Drachenodem.

Laut Éamonn Brughas Werk 'Von den Drachen', bevorzugen sie abgelegene, dicht bewaldete Gebiete gemäßigter und nördlicher Breiten, hohe Gebirge oder weitläufige Flusstäler als Lebensraum. Angeblich sind sie die 'ruhigsten' Vertreter ihrer uralten Rasse - allerdings strafen bekannte Erddrachen diese Theorie Lügen, schließlich war Kharan'Rhkarr, die Geißel des Westens, ein Erddrache, und Ragnaron'ar Kaltherz wird zwar im Volksmund ob seiner schneeweißen Farbe als Frost- oder Eisdrache bezeichnet, zählt jedoch ebenfalls zu den Erddrachen. Und Iunerîta'e Erdherz ist zwar grundsätzlich eher freundlich, zumindest den Menschen Laigins gegenüber, aber als 'ruhig' würde ihr Naturell wohl niemand bezeichnen, der das Vergnügen - oder Pech - hatte, sie je kennenzulernen. Es heißt außerdem, Erddrachen wären schwerfälligere Flieger als Feuer- oder gar Sturmdrachen, doch das ist bei ihrer Größe und ihren Ausmaßen kaum verwunderlich. Sie seien jedoch gute Schwimmer und verbrächten die meiste Zeit ihres Lebens in ihren kathedralgroßen Höhlen. Ferner sagt man ihnen noch nach, von allen Drachen die leidenschaftlichsten Sammler und meist auch die gelehrtesten zu sein.


Sie verpaaren sich nicht für ihr ganzes Leben, sondern haben wechselnde Partner, auch wenn sie mitunter öfter als einmal mit dem Gleichen zusammenkommen. Ihr Gelege umfasst stets mindestens zwei, höchstens aber sechs Eier, welche gemessen an der gewaltigen Größe ausgewachsener Erddrachen, geradezu winzig sind, denn sie werden kaum größer als ein Straußenei. Entsprechend klein und zart sind frisch geschlüpfte Erddrachen, die man, hätten sie nicht winzige Hörner und Flügel, leicht mit braungrünen Eidechsen verwechseln könnte. Von allen Drachenarten sind Erddrachen auch diejenigen, welche am langsamsten wachsen – viele hundert Jahre gehen ins Land, ehe ein Vertreter dieser Art tatsächlich seine volle Größe erreicht hat. Die alten Legenden besagen, dass die Urmutter aller Drachen ein goldener Erddrache war und noch heute ist das Erddrachenauge der Druiden Laigins ein höchst magisches, uraltes Artefakt von unglaublicher Macht.

Erddrache
Anóerialitée, der Erddrache des Dunkelwaldes

 

Feuerdrachen


Glaubt man Éamonn Brughas Werk 'Von den Drachen', sind Feuerdrachen die aggressivsten und aktivsten aller Drachen. Letzteres mag tatsächlich der Wahrheit entsprechen, ersteres aber wohl nicht unbedingt. Die beiden Drachen, die bisher die größte Zerstörung und das meiste Leid über die Länder von Menschen und Elben gebracht haben, waren beides Erddrachen. Ríllúris - oder Pól An Bhriotin, wie er sich als Mensch nennt – hingegen ist ein ausgesprochener Freund der Sterblichen und anderer Völker Rohas, und selbst der noch junge Feuerdrache des Hochlands von Mek'ele hat in Azurien noch keine größere Katastrophe ausgelöst, keine Stadt angegriffen und auch noch keine Stämme der Savannen oder Wüsten heimgesucht (auch wenn böse Zungen ihm immer noch nachsagen, für die Zerstörung der Brücke von Sen'afe im Jahr 517 FZ verantwortlich zu sein, was jedoch nachweislich ein Munduskind und ein Dämon zu verantworten haben).


Feuerdrachen sind für Drachen von eher mittlerer Größe, was bei den ganz generellen Ausmaßen dieser Wesen jedoch nicht viel zu sagen hat, denn sie werden – ohne ihren langen Schweif – immer noch gut und gern 12 bis 15 Schritt lang, mit Schweif erreichen sie bis zu 30 Schritt. Die durchschnittliche Größe eines ausgewachsenen Feuerdrachen liegt bei insgesamt 25 Schritt mit Schweif, das gibt jedenfalls Pól An Bhriotin zu Protokoll (der es wirklich wissen sollte). Sie sind elegante Flieger, auch auf festem Boden äußerst schnell und geschickt, und keine andere Drachenart erinnert so sehr an große, wendige Raubkatzen wie diese. Feuerdrachen besitzen auffällig ausgeprägte und extrem dicke Schuppen, vor allem im Hals-, Nacken- und Rückenbereich, was ihnen ein besonders wuchtiges Aussehen verleiht. Sie können mehrerer Hörner tragen, deren Anzahl in keiner Weise festgelegt ist, die meist recht gerade, zackig und unregelmäßig geformt und nicht sonderlich groß sind. Ihr langer Schweif endet stets in einer Verdickung, die mit kegelförmigen Hornschuppen oder gar Stacheln besetzt ist. Mit dieser 'Keule' können sie Schläge von ungeheurer Wucht ausführen. Ihre Färbung zeigt für gewöhnlich alle Schattierungen und Nuancen von Glut und Feuer, also alle satten, leuchtenden Rot-, Rotgold und sogar Blautöne; es gibt Feuerdrachen, deren Unterkiefer, Kehlenbereich, Brust und Bauch so leuchtend Blau gefärbt sind wie das Herz einer Flamme. Manch andere Vertreter dieser Drachenart sind hingegen so dunkel, dass sie beinahe schwarz wirken: bei ihnen schimmert es nur hier und rötlich zwischen ihren Schuppen oder an ihren ledrigen Schwingen, ganz wie bei glühende Kohlen. Schuppen und Haut von Feuerdrachen sind vollkommen feuerfest und zählen zu den widerstandsfähigsten Materialien überhaupt, sie sind sogar noch härter als die aller anderen Drachenarten.


Ferner sagt man Feuerdrachen noch nach, zwar wie alle Drachen gute Schwimmer zu sein, Wasser jedoch wenig zu mögen und überdies wäre ihr Drachenodem der bei weitem tödlichste. Ihre große Gier – die sich auf alles Mögliche erstrecken kann, nicht unbedingt nur auf Gold, edle Geschmeide, funkelnde Juwelen und andere Kostbarkeiten – heißt es, trage daran schuld, dass sie von allen Drachen die größten und wertvollsten Horte angehäuft hätten. Laut Éamonn Brugha bevorzugten sie außerdem die südlichen Gefilde der Immerlande als Heimat, also die südlichen Herz- und Drachenlande, die Weiten der Wüsten oder die tropischen Eilande der Schwester- und Sommerinseln. Gerüchte aus dem Norden besagen allerdings, dass in den Wildlanden zwischen dem Feuerbogen Arduns und dem Saum des Dunkelwaldes, ein Feuerdrache gesehen worden wäre – doch ob daran etwas Wahres ist, steht vorerst noch in den Sternen. Feuerdrachen sind zwar wie alle ihrer Art absolute Einzelgänger, verpaaren sich jedoch, wenn sie sich einen Partner suchen, tatsächlich für ihr ganzes Leben (auch wenn man es nicht teilt, sondern nur für die Aufzucht einer Brut zusammenkommt). Ihr Gelege umfasst für gewöhnlich zwischen drei und sieben Eier, welche kaum größer als ein Straußenei und vollkommen mit schwarzroten Schuppen bedeckt sind. Auch frisch geschlüpfte Feuerdrachen sind geradezu winzig und zart, dafür wachsen sie am schnellsten von allen Drachen. Nach fünf Jahren sollen sie bereits so groß sein wie ein Jagdhund, nach zwölf Jahren so groß wie ein Löwe und nach zwanzig so groß wie ein Schlachtross – bis sie allerdings vollkommen ausgewachsen sind, gehen mindestens hundertfünfzig Jahre ins Land, und geschlechtsreif werden sie angeblich erst wenn sie mehr als doppelt so alt geworden sind.

Feuerdrache
Pól An Bhriotin oder Ríllúris in seiner Drachengestalt

 

Sturmdrachen


Sturmdrachen sind mit durchschnittlich zehn bis zwölf Schritt Länge – ohne den langen Schweif, der noch einmal gut zwölf bis vierzehn Schritt lang werden kann – die kleinsten Vertreter der Hohen oder Wahren Drachen. Sie sind auch leichter und hochbeiniger gebaut als Feuerdrachen, und wirken damit sowohl kraftvoll, als auch sehr elegant. Ihre Schuppen sind deutlicher ausgeprägt als jene von Erddrachen, aber weit weniger als die der Feuerdrachen und weisen für gewöhnlich alle Schattierungen von dunklem Blau, Violett, Grausilber und Türkis auf, oft mit einem metallisch-silbernen Glanz. Sturmdrachen sind wendig und schnell, und von allen Drachen die besten Flieger, ja wahre Flugkünstler - ihre eigentliche Heimat sind wohl auch der weite Himmel und die endlosen Wolkenfelder. Ihre Krallen und Klauenfortsätze an den Flügeln sind stets dunkel, indigoblau oder schwarz, manchmal auch anthrazitgrau, außerdem tragen sie in sich gedrehte, doch nach oben zeigende, verschlungene Hörner, meist nicht mehr als zwei. Besonders kennzeichnend ist die Form ihrer Schwanzspitzen: sie sind abgeflacht und erinnern ein wenig an doppelte Axtblätter. Die Augen der Sturmdrachen sind purpurn, violett, indigoblau oder silbern. Sie besitzen natürlich wie alle Drachen den gefürchteten Drachenodem und sind in der Lage zu sprechen und elementübergreifende Magie zu wirken, wobei sie eine besondere Affinität zum Element der Energie haben.


Glaubt man Éamonn Brughas Werk 'Von den Drachen' (was man, wie wir bereits wissen, nicht immer vorbehaltlos tun sollte), sind Sturmdrachen recht angriffslustig, listig und lieben Gewitter und Stürme, ihr 'wahres Element'. Ursprünglich wären sie in den Immerlanden in den Drachendornen und dem Wyrmschwanz zu Hause gewesen, aber ihre Jagdreviere seien schon von jeher die endlosen Weiten der östlichen Steppen, das Tal des Rhúne und das Grüne Herz gewesen – bis sie nach dem Zeitalter der Schande (weitgehend das Dritte Zeitalter) verschwanden und in ferne, unbekannte Länder Rohas zogen. Ihre Höhlen aber hätten sie bevorzugt auf den höchsten, windumtosten Gipfeln der Gebirge der Herz- und Drachenlande angelegt, um darin ihre Schätze zu horten, sie aber nur zum Ruhen aufgesucht. Ob das wahr ist, kann heute niemand mehr mit Bestimmtheit sagen – denn diejenigen der Neun Reiche, die in jenen Gebieten gelegen hatten, sind nur noch Staub, all ihre Aufzeichnungen und ihre Geschichten gingen mit ihrem Untergang verloren. Der einzige bekannte Drache, von dem man weiß, dass er tatsächlich auf dem höchsten (und mit Sicherheit äußerst windumtosten) Berg der Immerlande haust, ist Ragnaron'ar Kaltherz, der Berg steht im Wolkenthron und Ragnaron'ar ist ein Erddrache. Allerdings behaupten die Waldkinder des Nachtwaldes steif und fest, immer wieder Sturmdrachen in den Eisenbergen zu sehen, deren Stimmen im Wind klagen würden, wenn der Donner grollt und stürmische Winde um die felsigen Gipfel tosen. Uralte Geschichten der Drachenlande hingegen behaupten, diese 'Drachen der Eisenberge' seien niemand anderes als Daythren Sturmsohn selbst, der Stammvater der Drachenkönige von einst, der den Untergang seines Geschlechts beweine und von den Berggipfeln aus Ausschau nach einem letzten Spross, dem wahren König der verheißen wurde, halte.


Wie auch immer, der einzige Sturmdrache, der seit Daythrens Verschwinden in den Immerlanden gesehen wurde und von dessen Existenz man sicher weiß, war ein sehr junger und fast gänzlich silberner Vertreter seiner Art, der auch genauso hieß: Silber. Er galt als äußerst freundlich und tauchte in der ersten Dekade des Fünften Jahrhunderts des Fünften Zeitalters sporadisch in und um Talyra auf, doch er wurde schon seit Jahren nicht mehr dort gesehen, und wo er herkam oder wohin er gegangen sein mag, weiß niemand zu sagen. Von allen Drachen scheinen jedoch gerade die Sturmdrachen eine Vorliebe für die Menschen zu haben. Im Zeitalter der Schande war es einer ihrer Prinzen, Daythren Sturmsohn, ein Sohn oder Enkel Ilkhâar'sial Windbruders, der eine Sterbliche zur Frau nahm und die Dynastie der Dracayrens, der Drachenkönige Tamarlons, gründete – was, wie die Geschichte gezeigt hat, leider keine sehr weise oder vernünftige Entscheidung war, doch das tut hier nichts zur Sache.


Auch Sturmdrachen verpaaren sich für ihr ganzes Leben, wenn sie es denn einmal tun, und sind äußerst treue Geschöpfe; sie sind zwar grundsätzlich auch Einzelgänger, aber untereinander weit geselliger als alle anderen Drachen und kehren immer wieder zu ihrem Partner zurück, um eine gemeinsame Brut aufzuziehen. Ihr Gelege umfasst drei bis sieben Eier, die nur so groß wie ein Straußenei werden, mit Schuppen bedeckt und von silbern schimmernder, metallisch grau-grüner Färbung sind. Wie alle Drachen sind auch Sturmdrachen fürsorgliche Eltern. Sie wachsen langsamer als Feuerdrachen, aber schneller als Erddrachen, heißt es, und würden erst mit etwa drei- bis fünfhundert Jahren ihre volle Größe und Reife erreichen.

Sturmdrache
Daythren Sturmsohn, Ahnherr des Hauses Dracayren in seiner Drachengestalt



Seedrachen

 

Seedrachen sind zweifellos die geheimnisvollsten aller Drachen – und jene, über die man am wenigsten weiß, ob nun tatsächlich oder gerüchteweise. Sie leben in den unendlichen Weiten und verborgenen Tiefen des Stillen Ozeans und haben sich ihrem nassen Element perfekt angepasst. Ihre Körper sind schlanker und ein wenig länger als die ihrer an Land lebenden Verwandten, dafür erreichen sie enorme Ausmaße: ausgewachsene Seedrachen besitzen nicht selten eine Körperlänge von über vierzig Schritt und über achtzig, rechnet man ihren langen Schweif mit ein, da der Körper nahtlos in diesen übergeht. Damit werden sie wahrhaft gigantisch, zweimal so groß wie ein Mondwal, das größte Tier der Immerlande. Die Schuppen eines Seedrachens sind relativ klein, sehr glatt und äußerst beweglich. Von allen Drachen besitzen Seedrachen das farbenfroheste Erscheinungsbild, auch wenn sie stets die Farben des Meeres auf ihrer Schuppenhaut tragen: meist sind sie seegrün, tiefblau oder silbrig mit einem perlmuttfarbenen Schimmer, manchmal jedoch auch petrol- und grünlich mit rostroten oder goldbronzenen Akzenten.


Seedrachen haben keine Kiemen, sondern gewaltige Lungen, die es ihnen ermöglichen, stundenlang und sehr tief zu tauchen. Sie sind außerdem die einzigen Drachen, die keine Flügel besitzen – gleichwohl können sie fliegen, wenn sie es auch selten tun, indem sie Luftmagie dazu nutzen. Auch haben sie keine Füße, sondern paddelförmige Flossen, vier an der Zahl, die mit langen Krallen bewehrt sind. Sie besitzen lange Hälse und einen sehr langen, äußerst kräftigen Schwanz, der ebenfalls in einer Flosse endet und den sie gleich einem Alligator oder Krokodil sowohl als Antrieb, als auch als Steuer nutzen. Als Schwimmer sind sie unübertroffen und kein anderes Wesen der Meere kann es an Schnelligkeit mit ihnen aufnehmen. Ausnahmslos alle Seedrachen tragen einen Flossenkamm auf ihrem Rücken, der mit langen Stacheln bewehrt ist und angelegt werden kann, um sie noch stromlinienförmiger zu machen.


Obwohl Seedrachen so gewaltig sind, gelten sie als recht umgänglich, so lange man sie nicht reizt oder provoziert. Die meisten Geschichten und Legenden, die es über Seedrachen gibt, sind aus Seemannsgarn gesponnen, erzählt von den Seefahrern der Völker, welche die Weiten und Küstengewässer des Stillen Ozeans befahren, ob nun Pirat oder achtbarer Seemann der Großen Ostmeer Handelsgesellschaft, Fischer oder Freibeuter, Seesoldat oder Galeerenruderer: Seedrachen gelten in all ihren Legenden und Sagen als unumschränkte Herrscher des Meeres und es heißt, sie wären sehr musikalisch und liebten Poesie über alles: wer einen Barden an Bord hat, der an Deck seine Weisen singt, der bekäme vielleicht sogar einen andächtig lauschenden Seedrachen zu Gesicht. Ihre gewaltigen Schätze, so wissen es die Geschichten, würden Seedrachen in Grotten und Höhlen auf dem Meeresgrund oder in gesunkenen Schiffen horten, ihre Eier seien silbern und schimmerten wie Perlmutt, und der legendäre Kommodor, Parthalán Roibeard ein berüchtigter und gefürchteter Pirat, Kapitän der Dragon und ein begnadeter Sänger, erzählt immer wieder gern – jedenfalls jenen, denen er vertraut – wie ihn einst ein junger Seedrache für ein Lied (oder auch ein paar mehr) von einem einsamen felsigen Eiland gerettet und zurück ans sichere Ufer des Festlandes gebracht habe (deshalb heiße sein Schiff seither auch Dragon).


Namentlich tauchen bisher nur zwei Seedrachen in der Geschichte der Immerlande auf: Ss'ylliandriel Tiefklar, die erste ihrer Art und Urmutter aller Seedrachen, und Rauch, jener Seedrache, der von Rhaigar Dracayren, dem 'jungen Drachen' zum Kampf herausgefordert wurde und ihn natürlich getötet hat, und zwar recht schnell und unrühmlich, denn glaubt man den Berichten einiger Historiker, hat Rauch den größenwahnsinnigen Dracayrenherrscher in seiner Drachengestalt einfach entzwei gebissen und eine Hälfte von ihm glatt verschlungen, bevor er wortlos wie der im Meer verschwand.

Seedrache
Rauch, der Seedrache, der Rhaigar Dracayren tötete und verschlang



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