~ Assuatanays giftige Kleider ~

 

V

 

 


on der Drachenkönigin Assuatanay wird erzählt, ihre Schönheit konnte mit jener der Göttinnen gleichgestellt werden. Manche Zungen behaupteten gar, Assuatanay sei schöner als alle Wesen, die es gab, gibt und jemals geben werde. Von schlankem Wuchs war ihre Gestalt, das Haar so schwarz wie die Mitternacht und in ihren Augen mischte sich der Sturm mit dem Meer. Man nannte sie auch die Inarigeküsste, denn ihr Ruf als Verführerin war weithin bekannt. Assuatanay war jedoch ebenso berühmt für ihre Eitelkeit, die mit ihrer Macht und ihrer Arroganz ständig wuchs, und sich vor allem auf ihre Kleidung bezog. Mehr als zwei Dutzend Schneidermeister aus allen Teilen der Immerlande arbeiteten Tag und Nacht, um ihre Wünsche erfüllen zu können und die schönsten und außergewöhnlichsten Gewänder zu schneidern, um den Launen ihrer Gebieterin gerecht zu werden.


Doch Assuatanay war niemals zufrieden und in ihrer Selbstgefälligkeit ging sie so weit, dass jedes Kleid, welches man für sie schuf, nur für einen Tag getragen wurde, bevor es in ihren Augen als Abfall galt. Ihr Anspruch stieg so hoch, dass sie ihren Schneidermeistern drohte, sie köpfen zu lassen, sollten sie nicht bald irgendwoher neue Kleider schaffen, die ihre Träume überstiegen. Doch sogar die Berühmtesten und Bedeutendsten in diesem Handwerk vermochten kein Gewand her zu stellen, welches ihre Schönheit noch steigern konnte und so manch einer ließ in dem verzweifelten Versuch sein Leben.


Eines Tages jedoch erreichte ein junger Schneidergeselle die Stadt und sprach bei der Königin vor. Er versprach ihr ein Kleid, welches ihre kühnsten Vorstellungen übertreffen würde, wenn sie ihn nur mit genug Gold entlohne. Sie, in ihrem Stolz und ihrer Selbstherrlichkeit gefangen, lachte ihn aus und versprach ihm so viel Gold, bis er daran ersticken würde, wenn er diese Tat vollbringen konnte. Nur sieben Tage Zeit sollte er dafür haben. Der junge Mann arbeitete Tag und Nacht, aß und schlief nicht und man munkelt, er hätte sich mit verbotenen Kräften eingelassen, um das Kleid fertig zu stellen. Dann, nach genau einem Siebentag, forderte die Königin das versprochene Gewand und der Schneider brachte es ihr.


Ein Raunen ging durch den Saal, als er es aus der Truhe hob, denn die Pracht und Einzigartigkeit des Kleides übertraf alles, was sich in seiner Nähe befand, sogar Assuatanay selbst. Aus Gold und Silber, aus Samt und Seide, mit den wertvollsten Steinen Rohas versehen und den zartesten Stickereien verziert, wirkte das Kleid, als wäre es nicht von Menschenhand geschaffen worden. Die Königin verlangte mit vor Gier glänzenden Augen danach und, um zu verhindern, dass der junge Mann jemals jemand anderem seine Dienste anbieten konnte, ließ sie ihn mit Gold überschütten… bis er unter dem Gewicht des glänzenden Reichtums jämmerlich erstickte, wie sie es ihm versprochen hatte. Was Assuatanay nicht wusste, war, dass sie damit ihren eigenen Mörder gerichtet hatte, bevor seine Arbeit vollendet war. Denn in dem teuren Stoff verborgen war ein tödliches Gift, welches über die Haut in den Körper eindringt und bis heute als Assuatanays Schicksal, oder die Schwarze Gier bekannt ist.


Als Assuatanay das Kleid anzog, spürte sie nichts und erst als sie quälend langsam zu ersticken begann und niemand ihr zu helfen wusste, erkannte sie ihre Überheblichkeit und ihre Blindheit, und in ihren letzten Worten flehte sie verzweifelt um Verzeihung bei den Göttern. Das Giftkleid jedoch verschwand noch in derselben Nacht und man sagt sich, dass das schönste Kleid der ganzen Immerlande seinen Weg in einen Drachenhort gefunden hätte, wo es als eines der wertvollsten Schätze von seinem Besitzer streng bewacht wird. Jene, die den Mörder bezahlten, wurden nie gefunden, doch gibt es Gerüchte, es wären all jene Männer gewesen, die Assuatanay in ihrem Leben höhnisch verschmäht und mit gebrochenen Herzen zurückgelassen hätte.

 

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